Chronische Polyarthritis
Die rheumatoide Arthritis (internationale Bezeichnung) ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke. In der früheren deutschsprachigen Bezeichnung chronische Polyarthritis finden sich die wichtigsten Charakteristika der Krankheit wieder: chronisch steht für eine lange Zeitdauer der Erkrankung, Arthritis bedeutet Gelenkentzündung und Poly- eine Vielzahl von (betroffenen) Gelenken.
Untersuchungen zur Häufigkeit bei chronische Polyarthritis ergeben, dass weltweit ca. 0,5 bis 1%
der Bevölkerung diese Krankheit bekommen. Frauen sind ca. 3 mal öfter betroffen als Männer. Auftreten kann die Erkrankung in jedem Lebensalter, am häufigsten zwischen dem vierzigsten und sechzigsten Lebensjahr.
Obwohl die Forschung in den letzten Jahren zum Verständnis der rheumatoiden Arthritis viele Fortschritte gemacht hat, ist die Ursache der Erkrankung immer noch nicht geklärt. Aktuell wird eine Fehlregulation des Immunsystems diskutiert, wobei körpereigene Substanzen (z. B. der Gelenkknorpel) von Zellen des Immunsystems angegriffen werden (deshalb: »Autoimmunerkrankung«).
Bei der Auslösung dieser Fehlregulation spielt eine erbliche Veranlagung eine entscheidende Rolle. Zusätzlich diskutiert man heute bestimmte Noxen (Gifte), welche zusammen mit einer genetischen Veranlagung zum Krankheitsausbruch führen können. Aktuelle Untersuchungen zeigten, dass Rauchen bei vielen Patienten für die Erkrankung verantwortlich ist, je nach genetischer Belastung bis zur Hälfte der Fälle. Raucher haben auch schwerere Verläufe bei chronische Polyarthritis, und Therapien schlagen schlechter an.
Weitere Forschungen der letzten Jahre zeigten vor allem, welche Entzündungsfördernden Gewebshormone (so genannte Zytokine) eine wichtige Rolle spielen. Aus diesen Erkenntnissen erwachsen heute neue Möglichkeiten zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, die auch bei fehlendem Wissen der eigentlichen Ursache auf eine bessere Prognose als früher hoffen lassen.
Bei der rheumatoiden Arthritis sind anfangs meist die Finger- und Zehengelenke betroffen. Mit häufig plötzlichem Beginn schmerzen die Gelenke und schwellen an. Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit sind morgens am stärksten ausgeprägt.
Merkmale
Die Unbeweglichkeit beim Aufwachen wird als »Morgensteife« bezeichnet. Je nach Aktivität der Erkrankung kann diese Morgensteife mehrere Stunden anhalten. Neben diesem typischen Beginn der chronischen Polyarthritis sind gelegentlich zu Anfang nur einige große Gelenke entzündet, im Alter oft die Schultergelenke.
Im Laufe von Wochen oder Monaten können mehr und mehr Gelenke erkranken. Neben den Gelenken entzünden sich auch Sehnenscheiden und schwellen an (z. B. die Fingerstrecksehnen auf dem Handrücken). Auch die Wirbelsäule, meist die Halswirbelsäule, und Schleimbeutel können betroffen sein. Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Leistungsschwäche, Fieber, Nachtschweiß und eventuelle Gewichtsabnahme zeigen, dass der ganze Körper in den Entzündungsprozess eingebunden ist.
Als charakteristisches Merkmal bilden sich bei bis zu 20 % so genannte Rheumaknoten, besonders im Bereich der Finger und der Ellenbogen . Der Verlauf der Erkrankung ist oft schubweise (für einige Zeit besonders stark schmerzhafte Gelenke, ausgeprägtes Krankheitsgefühl). Insgesamt verläuft die rheumatoide Arthritis sehr variabel, wobei mit einem spontanen Stillstand (ohne Therapie) bei weniger als 10 % der Erkrankten zu rechnen ist. Das besondere Merkmal dieser Erkrankung ist der Angriff
der Entzündungszellen und -stoffe auf den Gelenkknorpel und Knochen. Bei ungebremster Entzündung werden diese Gelenkstrukturen zunehmend abgebaut, die Gelenke werden zerstört.
Diagnostik
Die Diagnose der rheumatoiden Arthritis wird anhand der Krankheitssymptome sowie durch die rheumatologische Untersuchung gestellt. Der Arzt orientiert sich dabei auch an bestimmten Kriterien (z. B. den Kriterien der wissenschaftlichen europäischen (EULAR) und amerikanischen (ACR) Rheumatologie-Gesellschaften). Laboruntersuchungen werden durchgeführt zum Nachweis von
Rheumafaktoren und Entzündungsmarkern im Blut. Als neuer Labortest für die rheumatoide Arthritis, mit besserer Genauigkeit als die Rheumafaktoren, werden heute Antikörper im Blut gegen bestimmte Eiweiße gemessen, sog. CCP-Antikörper. Der Rheumatologe kann hiermit auch die Prognose der rheumatoiden Arthritis besser einschätzen.
Röntgenuntersuchungen sind zu Krankheitsbeginn und im Verlauf sinnvoll, um das Ausmaß von Knochenschädigungen abschätzen zu können. Zusätzliche Informationen über Gelenkweichteile werden
mit dem Ultraschall gewonnen, z. B. zum Gelenkerguss, zur entzündlich verdickten Gelenkinnenhaut (Synovialmembran). Aufwändigere bildgebende Diagnostikverfahren kommen bei gezielten Fragestellungen zum Einsatz, z. B. die Magnetresonanztomographie bei entzündlicher
Beteiligung der Halswirbelsäule.
Therapie
Die Therapie bei chronische Polyarthritis hat in den letzten 10 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Als Ziel der Therapie definiert man heute die Remission der Erkrankung, d. h. die komplette Rückbildung der entzündlichbedingten Symptome, oder eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität
(bei schon länger bestehenden Krankheitsfällen).
Die einzelnen Therapiemaßnahmen werden vom Rheumatologen entsprechend der individuellen Krankheitssituation des Patienten zusammengestellt und in der Folgezeit in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt auf ihre Wirksamkeit überprüft. Besondere Erfahrungen sind erforderlich bei der medikamentösen Therapieeinstellung, da es verschiedene Medikamentengruppen und eine große Anzahl von Präparaten mit unterschiedlichem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil gibt. Am wichtigsten ist die Therapieeinstellung mit den sogenannten »Basismedikamenten«, z. B. dem weltweit am häufigsten eingesetzten Medikament Methotrexat, abgekürzt MTX. Stark verbessert wurde die Therapie der rheumatoiden Arthritis in den letzten 15 Jahren durch eine neue Gruppe
von Basismedikamenten, die sogenannten Biologika. Mit dem kombinierten Einsatz verschiedener Basismedikamente (sogenannte »Kombinationstherapie«) und wenn erforderlich mit Hilfe von Biologika gelingt es bei immer mehr Patienten, eine Remission der rheumatoiden Arthritis
zu erreichen und die Lebensqualität zu verbessern.
Die rheumatoide Arthritis ist eine langdauernde Erkrankung, die neben Veränderungen an den Gelenken und Organen des Körpers auch Spuren im seelischen Leben hinterläßt. Der tägliche Umgang mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen und der Verzicht auf früher selbstverständliche Tätigkeiten ist nicht einfach zu verkraften. Umstellungen im täglichen Leben sind erforderlich, sowohl
in Bezug auf die berufliche wie auch familiäre Situation. Die Hilfe anderer Menschen muss in Anspruch genommen werden, um mit der Erkrankung im Alltag bestehen zu können.
Therapieziele
Die Therapieziele sind individuell. Die rheumatoide Arthritis verläuft sehr unterschiedlich. Deshalb sind Entscheidungen über ein bestimmtes Vorgehen bei der Therapie nicht endgültig. Die Therapie muss fortlaufend kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden. Das bedeutet aber auch, dass mit der Diagnosestellung langfristige therapeutische Ziele verfolgt werden.
Als Therapieziele können gelten:
- Verlangsamung bzw. Rückgang der entzündlichen Krankheitsprozesse
- Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere durch Schmerzlinderung und Unterstützung der Aktivitäten des täglichen Lebens
- Erhalten von Funktion und Kraft der Gelenke, besonders der Hände
- Stabilisierung der psychosozialen Situation
Hier kann die Ergotherapie erfolgreich eingesetzt werden. Deren Möglichkeiten umfasst insbesondere die Mobilisierung der betroffenen Gelenke, Gelenkschutztraining, Anpassungen an die Anforderungen im Alltag (Haushalt, Beruf, Freizeit) und die Anwendung von Hilfsmitteln. Auch verschiedene Formen vom Wärme- oder Kälteanwendungen, Massagen oder Elektrotherapie, kommen zum Einsatz.
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Quelle: Rheuma Liga